In den letzten Jahren habe ich mir angewöhnt, eine Art Tagebuch zu verfassen, weil mir auffiel, dass ich viele von den bereits angesteuerten Orten schon wieder vergessen habe. Reizüberflutung? Oder einfach nur volle Konzentration auf meine Aufgabe, sodass viele gewonnene Eindrücke einfach im Nichts verschwinden? Ich weiß es nicht. Es ist halt so, dass ich zunächst einmal "zur Arbeit" gehe und erst in zweiter Linie die in Aussicht stehenden Reiseziele der Grund für eine Reise sind. Andere Voraussetzungen eben, als wenn man gespart hat, um sich solch einen Luxus gönnen zu können.
Hier nun ein paar Auszüge aus diesem Tagebuch, oder -wie man früher gesagt hat- ein Reisebericht.
Viel Spaß beim Lesen.
etwa 3 Tage vor der Abreise:
Die Aufregung hat sich wieder gelegt, der Puls ist normal
und ich komme wieder runter.
Es war so schwer. All
die Aufgaben kamen mir vor, wie ein Himalaya, den es zu überwinden galt. Der
Satz: es ist doch nicht deine erste Reise, kam mir sogar absurd vor.
Aber dann war er doch gepackt, der Koffer, den neuen
Reisegepäckbestimmungen angepasst und der Ärger über die Schwierigkeiten dabei
ist auch schon wieder verraucht. Es war schwierig, aber nicht unlösbar, das
Problem mit den Noten.7,8 Kilo…nur Papier, schön in 9 Ordnern verteilt und von
nicht glänzenden Plastikfolien umhüllt, damit die Jungs der Band auch was
sehen, wenn sie mich begleiten.
Früher war das kein Thema. In einer Hand den Notenkoffer,
indem alles drin ist, was ich brauche…also auch Autogrammkarten nebst
Schreiber, CD’s…falls jemand danach fragt und ein paar CD’s mit
Halbplaybacks….falls die Band dann doch keine Noten lesen
kann….sicherheitshalber! Und in der anderen Hand der Koffer mit Kleidung, mehreren Bühnenoutfits und eben all dem Rest. Beides aufgeben und Hände frei haben für
Bordkarte und Pass.
Aber heute ist ein
zweites Gepäckstück ja nur machbar, wenn
der Reisende Übergepäck bezahlt oder einen Flug einer höheren Klasse in
Anspruch nimmt. Da aber weder das Eine, noch das andere der Fall ist, steh ich
nun da. Wohin mit den Noten? In den Koffer….dann sind meine 23 Kilo Freigepäck
schon fast erreicht. Ok, der Koffer alleine wiegt schon 5,2 Kilo…plus die
7,8 kilo für die Ordner macht schon 13 Kilo.
Wohin dann aber mit der Schminke, den Bühnenkleidern,
Schuhen und der ganz normalen Wäsche, die man für eine Reise von 5 Tagen eben
so braucht?
Ah…man darf ja auch 8 kg Handgepäck haben….super, dann
schlepp ich die Noten im Handgepäck mit. Toll…beim dem Umstieg in Athen nach
Heraklion darf ich dann mit diesem Gewicht von einem Gate zum anderen
hetzen!... Doch halt…auch die dafür vorgesehene Tasche wiegt alleine
schon….waaaaas? 2,8 Kilo! Mist. Das kann
sogar ich ausrechnen, dass das schief geht. Und bei meinem Talent, rausgepickt
zu werden, wenn Handgepäck nachgewogen wird….
Also dann: Ordner erst mal ausmisten und rausnehmen, was nur so als Reserve drin liegt und verteilen: ein paar Ordner in den Koffer und ein paar
ins Handgepäck, den Laptop aber in die Handtasche. Agrrrrr. Schlepptop…nicht laptop.
Aber dann kann ich in freien Momenten wenigstens ein wenig arbeiten.
Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass meine logistischen
Fähigkeiten noch so gefordert werden würden. Und ich hatte mir immer eingebildet, so was wie Routine zu
haben-
Aber dann kommt so ein Hansel und ändert Reisebestimmungen
und schon hast du den Salat.
Wie gesagt, alles ist ja jetzt wieder gut, ich sitze ja bald im
Flieger.
10.11.2013
Die Anreise schon Sonntags nach Frankfurt…wie soll sie schon gewesen
sein?...Ich fahre nicht gern im Dunkeln, schon gar nicht, wenn es regnet…und? Na
klar…Beides war der Fall. Und schnell ging es natürlich auch nicht, denn
schließlich sollten Deutschlands Autobahnen bald wieder in einem Topzustand
sein…oder wie erklärt man sich sonst die immense Anzahl an Baustellen, an denen
natürlich nicht gearbeitet wird…es ist ja auch Sonntag.
Besser, ich reg mich nicht auf. Ändert ja doch nichts.
Jedenfalls ist der Arbeitsmodus nun endlich am Laufen, der
Kopf ist klar und ich freue mich mit leiser Spannung im Bauch auf ein Schiff,
das ich noch nicht kenne.
MS Artania fasst 1200 Personen und das sind etwa 3 Mal
soviel Gäste, wie auf dem Traumschiff. Was da wohl auf mich zukommt?
Montag, 11.11.2013
Manchmal geht es einfach nicht so, wie man sich das
erhofft.
Da steh ich nun, nach dem Umsteiger und der Wartezeit in
Athen auf dem Flughafen, endlich Heraklion erreicht. Und jetzt?
Suchend schaue ich mich gepäckbeladen nach einem Menschen um ,
der ein Schild mit meinem Namen drauf trägt. Aber nichts zu sehen.
Links von mir zwei deutsche Herren, mit denen ich schon
im Athener Flughafengebäude beim Suchen des Anschlussgates kollidiert bin, die
freudestrahlend auf ihren Abholer zusausen und mich dabei fast…na ja, ist ja
nix passiert. Rechts von mir ein Herr, der ebenfalls verzweifelt sucht, weiter
vorne einer mit Schild….aber nicht für mich.
Es ist nach 17.00 Uhr, der Flieger ist pünktlich, nur der
Abholer nicht. Ich gehe nach draußen und…warte. Nichts.
Links stehen die Taxis…soll ich? Aber wohin? Wo liegt das
Schiff und vor allem: wie lang liegt das Schiff an der Pier?
Verzweifelte Telefonate nach Deutschland, um die
fehlenden Informationen zu bekommen. In Deutschland ist es bereits eine Stunde
später und natürlich keiner mehr zu erreichen. Büroschluss.
Also…wo war denn noch die Sateliten- Telefonnummer vom
Schiff?
Endlich die ersehnte Auskunft: „Wir liegen in AgiosNicolaos“ ( ja, wo ist das denn?).
Und wann fahren Sie weiter? „erst um Mitternacht“….
Aufatmen. Das Zeitfenster ist groß genug.
So, jetzt aber schnell. Wir waren wohl das letzte
Flugzeug für heute, alle Passagiere sind entschwunden und ebenso zwei von den
drei Taxis. Ein Fahrer steht noch da. Zum Glück für mich- aber- er kann kein
Englisch. Mist.
Mit Händen und Füßen klappt es dann doch und ich komme 70
km und eine Stunde später endlich am Schiff an, werde anstandslos hineingelassen und treffe
als Erstes an der Rezeption auf die beiden Herren vom Flughafen, mit denen ich
fast zusammengestoßen wäre. Tja, wenn man das gewusst hätte!
Meine Kabine wartet schon und entschädigt mich für die
Unannehmlichkeiten…mit Balkon. Herrlich. Da kann man auch mal die Tür öffnen
und der Klimaanlage entfliehen.
Schnell den Koffer auspacken, kurz was essen, ein
schneller Rundgang zur Orientierung und dann nichts wie ins Bett. Ich bin k.o.
Von den Offiziellen, die für mich zuständig sind, hat sich noch keiner
gezeigt..na ja…hat ja auch Zeit bis Morgen.
12.11.2013 Souda Bay
Eine unruhige Nacht liegt hinter mir. Wie immer ist so
ein neues Bett erst mal gewöhnungsbedürftig.
Draußen scheint die Sonne und es sind etwa 20 Grad. Das
Frühstück schaffe ich mit Mühe und nehme mir jetzt Zeit für einen ausgiebigen
Rundgang auf dem Schiff. Man sollte ja wissen, wo was ist.
Dabei treffe ich in einer der 4 Bars auf einen Menschen,
den ich kenne: Adriano Conte, ein rumänischer Pianist, den ich schon von
anderen Reisen kenne. Die Wiedersehensfreude ist groß und so plaudern wir eine
Weile. Er unterrichtet mich über alles, was ich wissen muss, denn die
Gepflogenheiten auf Schiffen sind ja manchmal verschieden und es ist immer gut
zu wissen, wer wofür zuständig ist. Meine Ansprechpartnerin ist also Maike, mit
der ich mich dann auch gleich für 16.00 Uhr verabrede, um das Notwendige zu
besprechen.
Noch ist Zeit für einen Spaziergang. Adrian begleitet mich und wir genießen griechische Köstlichkeiten in einem Kaffee in Hafennähe.
Beim Treffen mit Maike lerne ich auch gleich die Band kennen. Vier
Mann Rhythmus, zwei Bläser. Alle aus der Ukraine, Verständigungssprache ist Englisch.
Die Jungens bitten um die Notenordner und akustisches Demonstrationsmaterial.
Wieder einmal bin ich heilfroh, dass ich den Schlepptop dabei habe und kann die
meisten der Songs, die ich singen werde, auf einen Stick kopieren. So bekommen
die nicht ganz notenfesten Musiker eine akustische Vorstellung. „Komm doch mal
rüber“ oder „Über die Brücke gehen“ sind ja in der Ukraine nicht bekannt J
Meine Show, so habe ich erfahren, ist für Donnerstag
geplant.
13.11.2013
Argostoli-Kefalonia
Trübes Wetter, es ist windig und regnerisch. Trotzdem ziehe ich mir eine Jacke an und mache eine kleinen Spaziergang.
Das Wasser peitscht vom Wind getrieben gegen die Kaimauer, als wollte es sich sein Land wieder zurück erobern. Ich mag diese Gischt und die Kraft des Meeres.
Zurückgekehrt beginne ich damit, meine Songs in die
richtige Reihenfolge zu sortieren und den Gegebenheiten der Band anzupassen.
Nach zwei Stunden ist es geschafft und ich kann mit meinem Notenköfferchen in
die Artania Lounge zur ersten Probe.
Zu meinem Entsetzen sehe ich gleich, dass der
Schlagzeuger ein Syn-Drum bedient. Mpff…das sind Sounds, die ich gar nicht mag.
Alle tragen Kopfhörer, damit sie wenigstens ihr eigenes Instrument gut hören,
denn weder Gitarre, noch Bass oder Keyboard haben auf der Bühne einen Monitor,
um sich selbst zu kontrollieren. Ich frage mich gleich, ob sie denn auch meine
Stimme auf den Kopfhörern haben. Wie sich herausstellt, ist das nicht der Fall
und ich verzweifele mal wieder an der Intelligenz des Toningenieurs. Wie soll
man gemeinsam musizieren, wenn man vom anderen nichts hört?
Auf meinen Monitorboxen nichts weiter als meine Stimme.
Ich höre also in „echt“ nur die beiden Bläser, weil das Naturinstrumente sind
und alles andere ist nur in weiter Ferne über die großen Saalboxen zu hören.
Nach eineinhalb Stunden ist der Sound für die Musiker und mich endlich soweit
geregelt, dass wir vernünftig miteinander kommunizieren können, aber da müssen
wir wegen einer anderen Veranstaltung schon wieder den Saal räumen.
Ich sitze noch eine Stunde mit Maike zusammen, um zu
besprechen, wie das Tagesprogramm für morgen gestaltet werden soll.
14.11.2013
Bari/ Italien
Um 11.00 habe ich nochmal eine Probe. Das ist auch
dringend notwendig, weil wir gestern ja mit dem Sound nur so langsam zurande
kamen und das Programm noch nicht komplett durchgeprobt ist. Eine Stunde steht
mir dafür der Saal zur Verfügung. So die offizielle Version.
Aber um 11.00 ist der Vortrag, der gerade geboten wird,
noch nicht zu Ende und so warte ich bis 11.20 Uhr, bis ich endlich meine Arbeit
machen kann. Auch jetzt werden wir nicht fertig, weil einfach zu viele Fragen
seitens der Musiker sind und vertagen uns nochmal auf 16.00. Dann ist der Saal
frei bis abends zur Show.
Die 2. Probe klappt hervorragend und ich kann mich
endlich für die Show vorbereiten und konzentrieren. Das Essen lasse ich ausfallen,
das passt jetzt nicht mehr in den Zeitplan.
Pünktlich um 21.15 beginnen wir. Der Saal ist rappelvoll
und das Publikum…das spüre ich sofort…sehr offen.
So springt auch gleich ein Funke über, ich kann mich
entspannen und das Arbeiten auch genießen.
Nach eineinhalb Stunden ist der Spuk vorüber und wie es
scheint, sind alle glücklich.
Ich wackele noch mit den Musikern zusammen auf
schmerzenden Füßen zu Deck 9, wo ich selbige in einem Eiskübel versenke ( die
Füße, nicht die Musiker J)
und wir auf unsere gemeinsame Arbeit anstoßen. Schön war es! Schön, weil das,
was mir so wichtig ist, geklappt hat: Musiker, Publikum und mich zu einer
Einheit zu verbinden. Alle sind euphorisch, sogar der Cruisedirektor gesellt
sich zu uns und gemeinsam genießen wir den Moment und lassen diesen Abend
ausklingen. Mission erfüllt.
15.11.2013
Dubrovnik/ Kroatien
Schon früh bin ich aus den Federn. Wir haben ja jetzt
wieder deutsche Zeit und so will ich frohgemut nach dem Frühstück die Stadt
erkunden. Die Ausflugsbusse sind schon alle weg, wir liegen sogar in der Stadt
und nicht fernab auf einem ausgelagerten Pier, allerdings ist um 13.00 Uhr
schon wieder Abfahrt.
Kaum an Land bemerke ich dann aber doch, dass ich den
Spaziergang zum 4 km entfernten Altstadt Kern, der sehr hübsch sein soll, wohl
mit meinen geschwollenen Füßen nicht schaffen werde. Also bummele ich, soweit
es die Schmerzen eben zulassen, passiere einen kleinen Obst und Gemüse Markt und kehre nach etwa 2 km wieder um. Ein andermal.
Außerdem soll (oder darf?)
ich ja heute Abend auch noch zum Kapitänstisch.
Eine Einladung lag am Morgen in meinem Postkasten. Also
wieder schick machen, die quälenden Schuhe an und los geht’s. Kapitän Hubert
Flohr kenne ich schon von anderen Schiffen, auf denen ich zum Gastspiel war und
Dank meines überaus charmanten Tischherren, dem Hotelmanager Maik Andrich, ist
die ewige, immer bei solchen Anlässen wiederkehrende, anfängliche Hemmschwelle
schnell überwunden und der Abend wird amüsant.
Um Mitternacht ist der Koffer wieder gepackt und ich gehe
schlafen.
16.11.2013
Abfahrt am Schiff um 10.00. Diesmal steht ein Shuttle
bereit. Manuel vom Reisebüro hat dafür gesorgt, dass der Reisebüro-Manager und
ich pünktlich am Airport ankommen. Die Wartezeit ist schnell vorüber und
Frankfurt empfängt mich ein paar Stunden später mit sehr kühlen Temperaturen.
Für ein paar Tage hatte ich glatt vergessen, dass November ist. Nach 45 Minuten
Wartezeit erreiche ich mittels des Hotelshuttles mein Auto und stecke endlich,
um fast 20.00 Uhr, meinen Schlüssel in die heimische Haustür.
Zu Hause, endlich.
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